Jung, frisch, Twitch
Plattform auf dem Weg zum Mainstream-Medium

Mit dem vierwöchigen Beachvolleyball-Event „Beach Liga“ wurde das Portal im Jahr 2020 zu einem neuen Domizil für Livesport-Übertragungen. Die interaktiven Möglichkeiten kommen vor allem beim Publikum unter 35 Jahren hervorragend an.
Wer den Wikipedia-Eintrag zu Twitch aufruft, der liest zunächst Folgendes: „Twitch ist ein Live-Streaming-Videoportal, das vorrangig zur Übertragung von Videospielen und zum Interagieren mit Zuschauern im Chat genutzt wird.“ Zu 100 Prozent zutreffend ist das nicht mehr. Denn elf Jahre nach dem Start ist Twitch längst auf dem Weg zum Mainstream-Medium, das in der Welt der Sportübertragungen immer wichtiger wird.
Rund 30 Millionen Menschen sind weltweit jeden Tag auf Twitch aktiv, fast drei Viertel dieser User sind jünger als 35 Jahre, mehr als 40 Prozent sogar zwischen 16 und 24 Jahre. Das macht die Plattform attraktiv für werbetreibende Unternehmen – aber ebenso für interaktive Sportübertragungen. Spätestens mit dem vierwöchigen Beachvolleyball-Event „Beach Liga“ während der ersten Pandemie-Phase im Jahr 2020 hat der professionelle Livesport auf Twitch ein neues Zuhause bezogen.
„Während der Beach Liga haben wir über 1,5 Millionen verschiedene Menschen erreicht“, blickte Alexander Walkenhorst, selbst erfolgreicher Beachvolleyballprofi und zugleich Gründer des Sportcontent-Produzenten Spontent, im vergangenen Herbst auf das 30 Tage laufende Event zurück. Der Erfolg von Twitch sei aber nicht allein von den Reichweiten abhängig. „Je nach Streamlänge haben zehn bis 20 Prozent der User aktiv am Chat teilgenommen und das acht- bis 15-mal pro Tag“, hob Walkenhorst dabei die Interaktionsmöglichkeiten auf Twitch hervor.
Klassische Werbebanner fehlen bei Twitch, dafür werden Partner in die Übertragungen integriert. Neben den Abos und der Möglichkeit, die eigenen Streams über Werbung zu monetarisieren, sind Spenden eine weitere Einnahmequelle. Allein bei den großen Beachvolleyballevents der jüngeren Vergangenheit kamen Spenden im sechsstelligen Bereich zusammen, die als Preisgeld an die Aktiven ausgeschüttet wurden.
„Kann ein Riesending für die Sportbranche sein“
Twitch schafft das, was der klassischen TV-Übertragung nicht mehr in vergleichbarer Form zu gelingen scheint: Das jüngere Publikum abholen und zudem Sportarten eine Plattform zu bieten, die sonst am Tellerrand herunterfallen. Nach dem „Türöffner Beachvolleyball“ entschied sich die Volleyball-Bundesliga (VBL) als weltweit erste Profisportliga dazu, die Saison 2021/22 der Männer auf Twitch zu übertragen. „Die Strategie ist zum jetzigen Zeitpunkt sehr gut aufgegangen“, erklärte VBL-Geschäftsführer Daniel Sattler kürzlich in einer Zwischenbilanz. Bis zum Ende der Zwischenrunde der VBL-Saison erreichte die Liga eine Million Unique Viewer.
Weitere Sportarten haben längst nachgezogen und große Events auf Twitch übertragen – dazu zählen unter anderem das Final Four im Feldhockey, die Deutschen Meisterschaften im 3×3-Basketball oder der Beachhandball. „Wir wollen den Sportarten helfen, die mediale Aufmerksamkeit zu bekommen, die sie verdienen“, sagt Walkenhorst. „Junge Sportarten und -ligen, die digital affin sind und in den entsprechenden Gremien junge Menschen sitzen haben, werden auch langfristig einen besseren Zugang dazu haben.“
Und was ist mit Twitch mittelfristig noch alles möglich? Walkenhorst: „Ich erwarte, dass irgendwann alle verstehen, wie das System funktioniert. Twitch kann ein Riesending für die Sportbranche und die Art der Sportübertragung sein. Aber man muss sich auch richtig damit auseinandersetzen, um zu begreifen, was alles möglich ist.“